FinTech in Deutschland – und der restlichen Welt

Deutschland, USA, Kanada und die Schweiz: Alles reiche Länder, die man finanziell und technologisch an der Spitze weltweit einordnen würde. In einem bestimmten Bereich hinken die Großen dieser Welt aber hinterher: Anwender verwenden FinTech-Dienste deutlich seltener als in Schwellenländern. Aber warum ist das so – und ist das überhaupt schlecht?

Was ist FinTech?

Eine kurze Einführung für alle, die mit dem Begriff selbst nicht allzu viel anfangen können: FinTech-Unternehmen haben sich auf die Bereitstellung von klassischen Finanz­dienst­leis­tungen bei der gleichzeitigen Nutzung moderner Technologie verschrieben. Hintergrund der Entwicklung ist die Tatsache, dass Überweisungen z.B. eine gefühlte Ewigkeit dauern (in der Realität: ein bis zwei Tage), während der Transfer von Geldern über Internetdienste praktisch nur Sekunden in Anspruch nimmt. Sie möchten ein Start-up finanzieren? Dann nutzen Sie doch einen Crowdlending-Service anstelle von Banken, die für die Bereitstellung des Kredits geraume Zeit in Anspruch nehmen und diesen an spezielle Bedingungen knüpfen.

Grundsätzlich wollen FinTech-Unternehmen also im klassischen Geschäft der Banken mit­misch­en, ohne jedoch deren seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bestehenden Altlasten mitzunehmen.

Die Schwellenländer profitieren

Aufgeschlossen ist man den FinTech-Unternehmen gegenüber vor allem in Staaten, von denen man dies nicht sofort erwarten würde. In China, Indien, Mexiko und Brasilien beispiels­weise sind deutlich höhere Popularitätswerte unter der Bevölkerung wahrnehmbar. In Deu­tsch­land haben innerhalb der vergangenen sechs Monate 35 % die Dienste von FinTech-Unter­nehmen in Anspruch genommen (etwas mehr als die USA und die Schweiz). In Indien sind es 52 %, China liegt mit 69 % weit vorne.

Aber warum? Sollten nicht wir, die „Vorbilder“ der westlichen Welt, weit vorne liegen?

Wir machen es uns schwer

Banken und Kreditkarten dominieren hier noch immer das Feld, FinTech kommt auf einen Marktanteil von nicht einmal 1 %. Ein Beispiel des bekannten Schweizer Unternehmens Swatch untermauert, warum dies so sein könnte: Der Hersteller bietet eine Smart Watch an, die auch kontaktloses Bezahlen per NFC-Technik anbietet. Im Herstellerland selbst (und auch in Deutschland) kommen Uhr und Swatch Pay-Dienste aber gar nicht auf den Markt. Statt­dessen stellt man China die Technik zur Verfügung.

Eine einfache Erklärung ist, dass die Schwellenländer unter Handlungsdruck stehen: Sie hinken hinterher und müssen daher zwangsläufig in die Zukunft investieren, um nicht von den reichen Ländern der Erde abgehängt zu werden. Gleichzeitig tut man sich damit bei uns schwer – denn das bisherige System funktioniert, wozu also etwas verändern?

Technologie im Alltag

Eng zusammen hängt die Technikaffinität der „neuen“ Länder auch damit, dass sie den mobilen Boom des Internets auf Smartphones und Tablets entscheidend mittragen. Im Oktober 2016 überschritt der Grad der mobilen Internetnutzung erstmals denjenigen der stationären Nutzung an Desktop-PC oder Notebook zu Hause. Entscheidend daran beteiligt waren aber eben nicht Deutschland, die USA & Co., sondern Brasilien, Indien und vergleich­bare Länder. Dort wächst man nicht mit PC und Notebook auf, sondern mit Handys und Tablets. Die vorhandene Kenntnis der Technik begünstigt auch den Aufstieg von FinTech-Unternehmen: Von vornherein konnten sie Dienste auf Smartphones, Tablets und Wearables auslegen.

Ebenfalls brisant: Hierzulande verfügen die allermeisten Menschen über ein klassisches Bank­konto. In den genannten Schwellen- und auch Entwicklungsländern ist das aber nicht der Fall. FinTech-Dienste sind daher die oft einzige Methode, um klassische Bankgeschäfte ohne klassisches Bankkonto abzuwickeln.

Ganz einfach: Gewohnheiten beseitigen!

Theoretisch ist es keine Kunst, FinTech zum Maß der Dinge zu erklären und auch hierzulande den altmodischen Bankmodellen abzusagen. Technik und Infrastruktur sind vorhanden. Praktisch jedoch ist der Mensch ein Gewohnheitstier, das dazu neigt, bestehende Tech­no­logien zu verwalten, zu optimieren und wie eine Zitrone mit der (Technologie-)Presse aus­zu­pressen. Im Ausland werden wir für unser rigoroses Festhalten an EC-Karten und Bargeld teilweise schon belächelt. Es wird nicht einfach, den Menschen (bzw. die gesamte Gesell­schaft) dazu zu bringen, auf modernere, schnellere und oftmals günstigere und flexiblere Modelle umzupolen.

Ist das jetzt alles Grund zur Sorge? Nicht unbedingt: Dass Technologiespitzenreiter irgend­wann überholt werden und dann selbst wieder den notwendigen Elan finden, in neue Technik zu investieren, ist seit Jahrtausenden ein wiederkehrender Zyklus. Lassen Sie Ihr gutes, altes Bank­konto also noch ein wenig länger bestehen.


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